Anlass unseres Schreibens ist eine Veröffentlichung vom 12.12.2022 bei Bild.de, die im Wesentlichen auf den Aussagen des VdK Juristen Frank Weniger basiert.

Wir hatten den Eindruck, dass Intention des Artikels war, den Patienten über den Zugang zu medizinisch notwendigen Rehamaßnahmen zu informieren und den Patienten die fachlich richtigen Hilfestellungen im Antrags- und Widerspruchsverfahren zu geben. Gerade in der aktuellen Situation vieler Patienten und Reha-Kliniken ist es wichtig, das Leistungsspektrum von Reha/die Säule Rehaleistung für das Gesundheitssystem zu stärken. Das Bedienen von Vorurteilen, Reha in die Nähe von Kururlaub zu bringen, geht an der Sache völlig vorbei. Aus unserer täglichen Arbeit kennen wir die vielen Patienten, die trotz medizinischer Notwendigkeit Monate lange Verfahren durchkämpfen müssen, um zu ihrer sachgerechten Reha-Maßnahme zu gelangen. Die Praxis der Krankenkassen, dass die billigste Klinik immer die beste für den Patienten ist, dient nicht der sachgerechten Behandlung der Patienten.

Wir möchten Ihnen gern darlegen, warum uns dieser Artikel so betrübt hat und die dort zitierten Aussagen des Herrn Weniger in Teilen sogar sachlich falsch sind. Wir zitieren hierzu die direkten Zitate des Herrn Weniger mit unseren Anmerkungen. Da wir aus vergleichbaren Presseveröffentlichungen wissen, dass regelmäßig der interviewte Fachmann zum Artikel insgesamt befragt wird, erlauben wir uns, auch die unglücklichen oder falschen Aussagen des Artikels ohne direktes Zitat des Herrn Weniger zu behandeln.

„Die Unterstützung des Arztes ist unerlässlich, besonders seine ausführliche fachliche Begründung, warum eine Reha sinnvoll erscheint und warum sie die Erwerbsfähigkeit erhält, ist wichtig“ weiß der Jurist Weniger. „Denn Ziel einer Reha ist es, die Teilhabe am Berufsleben zu erhalten oder wieder herzustellen.“

Zweifellos ist es richtig, dass ein gut/ausführlich gestellter Reha-Antrag zu einem besseren Ergebnis, d. h. einer Bewilligung dem Grunde nach führen sollte. Sich bei Antragsstellung Zeit zu nehmen und sich in Zusammenarbeit mit dem behandelnden (Fach-)Arzt mit der eigenen Reha-Fähigkeit, dem Reha-Bedarf und den Reha-Zielen auseinander zu setzen, ist unumgänglich. Die weiteren Aussagen machen uns ratlos. Haben Rentner, chronisch Kranke und alle anderen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen keinen Anspruch mehr auf Reha? Dient die Reha nicht der Verhinderung der Verschlechterung einer chronischen Krankheit? Dient die Reha nicht der Krankheitsfolgenbewältigung im Sinne der Teilhabe am sozialen Leben unabhängig von der Erwerbstätigkeit? Diese Aussage wird auch nicht besser, wenn an anderer Stelle des Artikels sachlich falsch als „neu“ beworben wird, dass nun neuerdings Rentner einen Anspruch auf Reha hätten. Der Anspruch der Rentner auf geriatrische Reha ist nicht „neu“. Selbstverständlich besteht auch ein Anspruch auf Reha, wenn es nicht um die Teilhabe am Berufsleben geht!

Weniger: „Rehakliniken sind leider oft nicht auf Pflegebedarf der Patienten eingestellt. Es wird verlangt, dass der Patient alles schon selbstständig kann.“

Auch diese Aussage lässt uns ratlos zurück! Die AHB soll eine medizinisch notwendige Nachsorge des Patienten vom Akut-Bett ins Reha-Bett ermöglichen, da der Patient in der Regel gar nicht in der Lage ist, in der Häuslichkeit sich selbst oder durch andere versorgt zu werden. Diese AHB-Patienten können natürlich nicht „alles schon selbstständig“. Was ist mit den vielen Reha-Patienten (mit Pflegegrad), die sich nicht vollständig selbst helfen können, insbesondere in den Indikationen Neurologie, Geriatrie, Orthopädie, Onkologie? Ist nicht bekannt, dass hilfebedürftige Patienten von den Rehakliniken gern, gut und erfolgreich behandelt werden? Will Herr Weniger diese Patienten mit seinen Äußerungen von einer Antragstellung abhalten?

Weniger: „Wer gleich in den Antrag schreibt, dass er auch mit einer Vertragseinrichtung einverstanden ist, hat die Chance, schnell dort einen Platz zu bekommen, wo einer frei ist.“ 

Diese Aussage wird (ohne direktes Zitat Herr Weniger) auch noch von dem Ratschlag ergänzt, keine Wunschklinik anzugeben, da Kliniken am Meer besonders beliebt sind und lange Wartezeiten haben. Der Appell an die Leserschaft „Keine Wunsch-Klinik angeben.“ und sich der medizinisch fragwürdigen Geschäftspolitik vieler Krankenkassen zu fügen, ist äußerst fragwürdig. Die billigste Klinik ist aus Sicht der Krankenkasse immer die beste Klinik für den Patienten.

Wir haben für die Patienten lange und hart für das Wunsch- und Wahlrecht des Patienten gekämpft, damit der Patient in eine Klinik kommt, die medizinisch passt und in der auch eine Behandlung tatsächlich stattfindet. Nachdem endlich die Reform des § 40 SGB V in 2015 gelungen ist, empfiehlt Bild, auf das Wunsch- und Wahlrecht gleich im Antrag pauschal zu verzichten. Wir kennen doch alle die Negativ-Beispiele, in denen dem Patienten aus Preisgründen die Klinik zugewiesen wird, wo ein schlechterer Behandlungserfolg zu erwarten ist, wie in einer anderen Klinik. Wir kennen z. B. die als „Vertragsklinik der DAK“ bevorzugt belegte Rehaklinik, in der wegen der zwischen Klinik und Kostenträger vereinbarten Vergütung offensichtlich keine vernünftige medizinische Behandlung mehr möglich ist. Wie soll bei einer Fallpauschalvereinbarung für eine orthopädische stationäre Behandlung von bis zu 28 Tagen inklusive eines Hol- und Bringservices (mit Radius von 150 km um die Rehaklinik) bei einer Gesamtvergütung von 1910 € noch medizinische Behandlung stattfinden?

Auch einem medizinischen und wirtschaftlichen Laien ist klar, dass für einen solchen Preis keine medizinisch hochwertige oder auch nur angemessene Therapie neben Verpflegung, Unterbringung und Fahrdienst (bis zu 150km) möglich ist. Der nach einer solchen „Behandlung“ zu Recht unzufriedene und weiterhin therapiepflichtige Patient kann aufgrund der 4-Jahres-Wiederholungsfrist keine weitere Reha erhalten. Nach Aussage Herr Weniger soll sich der Patient widerspruchslos in diese Klinik begeben. Die Täuschung der Patienten mit der Aussage der GKV „Vertragsklinik‘“ wird unkritisch von Herrn Weniger übernommen. Nahezu alle deutschen Rehakliniken verfügen über einen Versorgungsvertrag nach § 111 a SGB V mit der GKV und sind damit Vertragskliniken. Vertragskliniken sind eben nicht nur die Kliniken, die mit der Krankenkasse zu Lasten der medizinischen Leistungen (keine Einzeltherapien, Ausdünnen der Behandlungsdichte…) besonders billige Fallpauschalen vereinbart haben.

Noch schlimmer wird es beim Zusammenhang von Wunschklinik und Klinik am Meer. Diese Aussage befeuert doch den unberechtigten Vorwurf des „Kururlaubs“. Wir beraten in der Geschäftsstelle jährlich rund 1.000 Patienten. Die Wunschklinik am Meer kommt höchst selten vor und dann meistens medizinisch begründet (Indikation Atemwegs- oder Hauterkrankungen). Es geht beim Wunsch- und Wahlrecht nur in absoluten Ausnahmefällen um touristische Aspekte. Regelmäßig geht es beim Wunsch- und Wahrrecht um heimatnahe Kliniken oder Kliniken, die medizinisch besonders gut geeignet sind (kurze Transportwege, spezielles medizinisches Angebot).

Weniger: „Am besten den Sozialdienst direkt ansprechen, solange man noch im Krankenhaus liegt. Ist man erst entlassen, ist die Chance auf eine zügige AHB vertan.“

Diese Aussage ist so nicht richtig, da der Patient mindestens innerhalb der 2 Wochen nach Entlassung die AHB durchsetzen kann. Nach Ablauf der zwei Wochenfrist kann dann auch noch in vielen Fällen eine Reha durchgesetzt werden, weil der Reha-Bedarf unabhängig von der AHB weiterbesteht.